Ni Hao oder Bonjour?
Von Tanja Andres
Englisch ist längst Standard im Beruf, also muss eine zweite Fremdsprache her. Aber was? Französisch, Russisch oder gleich Chinesisch? Und muss man vor dem Auslandseinsatz schon perfekt reden können?
Englischkenntnisse sind heute aus den meisten Stellenausschreibungen nicht mehr wegzudenken. Häufig ist es jedoch nicht eindeutig, welches Sprachniveau ein Arbeitgeber erwartet. Würden einfach nur „Englischkenntnisse“ verlangt, könne man davon ausgehen, die Sprache im Berufsalltag nicht sehr häufig zu benötigen, sagt Laufbahnberaterin Julia Funke. Steht in der Ausschreibung allerdings, dass ein „verhandlungssicheres Englisch“ gewünscht wird, dann sollten Kandidaten darauf gefasst sein, dass dieses auch im Bewerbungsgespräch abgefragt wird. Wer heute in einem Unternehmen arbeiten möchte, das international agiert, der kommt um Englisch nicht herum. Wer lediglich sogenanntes Schulenglisch beherrscht, wird daher in solchen Unternehmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht über die Bewerbungsphase hinauskommen.
Auch außerhalb von Deutschland setzt man auf Englisch. Es ist die am häufigsten erlernte Fremdsprache in der Europäischen Union. Laut Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat lernen in den Mitgliedstaaten 94 Prozent aller befragten Schüler in weiterführenden Schulen (Sekundarstufe II) Englisch als Fremdsprache. Deshalb reicht es in den meisten Berufen, passables Englisch zu sprechen. Auch Beraterin Funke sagt: „Man muss nicht von vornherein mehrere Sprachen lernen, um attraktiv für einen Arbeitgeber zu sein. Wenn man Sie ins Ausland entsenden will, dann bekommen Sie auch einen Crashkurs.“ Dennoch schadet es natürlich nicht, eine zweite oder sogar dritte Fremdsprache parat zu haben. Wer zum Beispiel gerne in Asien arbeiten wolle, sei sicher gut beraten, frühzeitig eine entsprechende zu lernen, sagt Funke.
Kathrin von Hardenberg sieht noch einen anderen Zusammenhang. Je gehobener eine ausgeschriebene Stelle, desto eher werde erwartet, dass Bewerber mehrsprachig seien, findet die Personalvermittlerin von Indigo. Das liege daran, dass Verantwortungsbereiche mit zunehmender Bedeutung dann häufiger grenzübergreifend ausfielen. In vielen Fällen komme man zwar wahrscheinlich auch mit Englisch weiter, aber für die Teambildung und die Akzeptanz sei es hilfreich, die Sprache der Mitarbeiter zu können. Auch die Statistik belegt, dass Manager und Spezialisten häufiger mehrere Sprachen sprechen. Gut 34 Prozent von ihnen gaben bei Eurostat an, eine zweite Fremdsprache in petto zu haben, weitere 16 Prozent warteten angeblich sogar mit drei oder mehr Sprachen auf. Zum Vergleich: Knapp jeder dritte befragte Handwerker war überhaupt keiner Fremdsprache mächtig.
Englisch steht also mit weitem Abstand auf Platz eins der Fremdsprachen. Aber was kommt danach? Die Personalexpertinnen sehen immer noch Französisch auf Platz zwei folgen. Ein Grund dafür sind die engen Handelsbeziehungen zum Nachbarland. Viele Unternehmen haben Geschäftsbeziehungen zu französischen Partnern oder verkaufen ihre Produkte westlich des Rheins. Da kann es von Vorteil sein, wenn das eigene Personal der Sprache mächtig ist. Allerdings ist Französisch nicht mehr automatisch an deutschen Schulen die zweitbeliebteste Fremdsprache nach Englisch. Auch Spanisch, das immerhin von mehr als einer halben Milliarde Menschen als Muttersprache gesprochen wird, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Wer eine osteuropäische Sprache wie Polnisch oder Russisch beherrscht, könnte zukünftig auch größere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, glaubt von Hardenberg. Russisch ist auch die beliebteste Nicht-EU-Sprache, die in Deutschland gelehrt wird.
Zu den exotischeren Sprachen gehören Arabisch oder Chinesisch. Solche schwierigen Sprachen lohnen sich laut Julia Funke aber nur, wenn man auch vorhabe, in den jeweiligen Ländern zu leben. Sie seien durch andere Schriftsysteme sehr lernintensiv, und auf Vorrat zu lernen sei nicht sinnvoll. Zwar würden etwa auch die Handelsbeziehungen in den Nahen Osten stetig intensiver. Aber in Dubai oder den Vereinigten Arabischen Emiraten seien in der Regel keine produzierenden Unternehmen vertreten. „Dort sind Berater, Verwaltung oder ähnliche Unternehmen ansässig, da spricht jeder Englisch,“ sagt Funke. Wie auch von Hardenberg glaubt Funke, dass es für Berufstätige im Zweifel wichtiger ist, ihr Englisch zu perfektionieren, anstatt eine weitere Fremdsprache zu erlernen. Wenn man dieses aber sicher und fließend beherrsche, sich verhandlungssicher unterhalten könne, dann könne man sich bei Interesse immer gerne einer weiteren Sprache widmen, sagt Kathrin von Hardenberg.
Gute Sprachkenntnisse allein genügen jedoch häufig nicht im Umgang mit ausländischen Geschäftspartnern. Besonders im Umgang mit Kunden aus anderen Kulturkreisen, wie China oder selbst den Vereinigte Staaten, kommt es darauf an, den kulturellen Hintergrund und die Verhaltensweisen des Gegenübers zu kennen. Auch deshalb werden Muttersprachler häufig bevorzugt. Für Verkaufsgespräche ist es zum Beispiel oft entscheidend, die Gewohnheiten der Kunden zu kennen, um zu einem Abschluss zu kommen. Bei komplexen Sprachen wie Mandarin haben Muttersprachler natürlich Vorteile, denn allein das Lernen der Schriftzeichen ist schon für Chinesen eine Lebensaufgabe. Deshalb, so von Hardenberg, sei es einfacher, für entsprechende Stellen Chinesen zu engagieren. Diese könnten hierzulande mit Mitarbeitern in Englisch kommunizieren. „Chinesen, die sich wiederum die Mühe machen und die deutsche Sprache lernen, haben eine sehr große Chance, auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen“, sagt sie.
Wie wichtig kulturelle Kompetenz neben dem Spracherwerb ist, haben die meisten Unternehmen längst erkannt. Deshalb schickten etwa Anwaltskanzleien ihre Juristen immer häufiger ins Ausland, erzählt von Hardenberg, denn „Arbeitgeber achten mittlerweile darauf, ob zukünftige Mitarbeiter im Ausland waren“. Dies sei ein nicht zu unterschätzender Punkt im Lebenslauf der Bewerber. Als optimale Zeitdauer für einen Auslandsaufenthalt sieht sie dabei alles von einer Aufenthaltsdauer von acht Monaten an aufwärts. Ein kürzerer Aufenthalt biete nicht dieselben Möglichkeiten, die Kultur genauer kennenzulernen.
Häufig wird auch über den optimalen Zeitpunkt für einen Auslandsaufenthalt spekuliert. Laut Kathrin von Hardenberg ist es aber egal, ob jemand in einem Auslandsschuljahr, als Student mit Erasmus, im Rahmen eines Praktikums oder einfach durch einen früheren Job im Ausland gewesen ist. Was zählt, sei die gewonnene Erfahrung. „Wer mehrere Monate auf sich allein gestellt im Ausland verbringt in einer fremden Kultur, tut nicht nur etwas für seine Sprachkompetenz, er ist viel unabhängiger und selbständiger als jemand, der das nicht tut“, sagt sie. Deshalb schätzten Arbeitgeber Auslandserfahrung so sehr.
Bei aller Bedeutung von sprachlichen Kompetenzen für die Karriereplanung in Zeiten der Globalisierung – das Thema sollte auch nicht überbewertet werden. Wer in mehreren Fremdsprachen problemlos kommunizieren kann, dem öffne sich nicht automatisch Tür und Tor. Denn Sprachen zählen immer noch zu den sogenannten „Soft Skills“. Entscheidend sind in der Regel zunächst immer noch die „harten“ Fachkenntnisse. „Wenn der eine Bewerber mehrere Fremdsprachen beherrscht und der andere nur Englisch spricht, aber mehr Fachkenntnis vorweisen kann, wird sich der Unternehmer im Zweifel für den Bewerber mit mehr Expertise entscheiden“, sagt Julia Funke. Man werde auch nicht besser bezahlt, wenn man mehr Fremdsprachen könne. Wenn die fachlichen Kriterien zwischen Bewerbern jedoch ziemlich ähnlich sind, dann kann die Multilingualität aber zum Zünglein an der Waage werden.