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Sich ändern oder untergehen: Bankmanager im Sturm

Presse

Die Digitalisierung stellt Banken vor immense Herausforderungen – noch beschleunigt durch Corona. Um diese Aufgaben zu lösen, müssen Führungskräfte es schaffen, das gesamte Team mit einzubinden. Doch erfahrene und charismatische Führungspersönlichkeiten sind Mangelware in den meisten Banken. Ein Richtungswechsel tut not.
Die Geschäftswelt ändert sich rasant, und Unternehmen in vielen Branchen stehen vor der Wahl, sich zu ändern oder unterzugehen. Kaum eine Branche hadert so mit diesem Wandel wie die Banken. Die Anforderungen der Digitalisierung stehen seit Jahren fest: Auf der einen Seite wünschen die Kunden immer mehr digitale Dienstleistungen, auf der anderen Seite zwingt der Kostendruck zu Effizienzsteigerungen, die sich nur digital erreichen lassen. Wenn die Institute trotzdem nicht vorankommen, dann liegt das in vielen Fällen an einem Mangel an starken und umsetzungsorientierten Managern, die ein Unternehmen von Grund auf verändern.

Überholter Fokus nur auf den Vertrieb

Anders als in vielen anderen Branchen standen diese Kompetenzen von Managern in Banken über Jahre hinweg nicht im Mittelpunkt. Effiziente Prozesse und Kosteneinsparungen wurden vernachlässigt, weil es schlicht keine Notwendigkeit für sie gab. Auf der Ertragsseite schien die Sonne. Und selbst nach der Lehman-Pleite 2008 blieb der zu erwartende Veränderungsschub aus. Karriere machten in diesem Umfeld diejenigen, die für Erträge und Vertrieb verantwortlich zeichneten.
Diese einseitige Nachwuchsförderung spiegelt sich heute in den oberen Führungsebenen der Finanzinstitute wider. Dort finden sich kaum Manager, die selbst größere Transformationen oder Reorganisationen angestoßen und erfolgreich abgeschlossen oder sogar das Geschäftsmodell ihres Hauses nachhaltig geändert hätten. In vielen Häusern werden IT und Prozesse nicht auf Vorstandsebene verantwortet, und falls doch, dann oft nur als Teilressort eines Vorstands oder einer Vorständin. Wer die IT verantwortet, hat typischerweise weniger Mitspracherecht als die Kolleginnen und Kollegen und verdient unterdurchschnittlich. Gleichzeitig ist er oder sie in der aktuellen Situation für die größten Baustellen des Instituts zuständig – keine dankbare Aufgabe. Kim Hammonds, die frühere IT-Vorständin der Deutschen Bank, fasste diese Diskrepanz knapp zusammen, als sie ihren Arbeitgeber als das „dysfunktionalste Unternehmen“ bezeichnete, für das sie je gearbeitet habe.

Silodenken noch gang und gäbe

In Technologiefirmen beispielsweise werden bei der Entwicklung einer neuen Handygeneration konsequent alle Bereiche in den Produktentwicklungsprozess eingebunden. Designer, Ingenieure, Marketing und Programmierer arbeiten von Beginn an gemeinsam. Selbst Lieferanten und Logistikdienstleister werden oftmals komplett in die Entwicklung integriert.
Was also andernorts Standard ist, bleibt in vielen Banken undenkbar. Hier wird Schritt für Schritt eine Abteilung nach der anderen in die Entwicklung neuer Konzepte und Produkte einbezogen. Langwierige und zahlreiche Abstimmungsschleifen verhindern Innovationen und provozieren gegenseitige Schuldzuweisungen, wenn das neue Produkt bei den Kunden nicht punktet.
Zum Beispiel Paydirekt, ein Mammutprojekt der deutschen Bankenbranche: Paydirekt leistete bei seiner Markteinführung das, was Paypal auch konnte – und zwar schon seit drei Jahren. Beim Kunden fiel die Scheininnovation folgerichtig durch.
Eine neue Manager-Generation in den Banken muss diese Dogmen durchbrechen, um Innovationen entstehen zu lassen – und das möglichst schnell. Banken müssen Führungskräfte ans Ruder lassen, die das alte Silodenken über Bord werfen, mutig sind und neue Management-Methoden etablieren. Hier spielt auch das Thema Diversität eine Rolle.

Berater und Quereinsteiger

Welche Fähigkeiten also braucht der Bankmanager von morgen? Projektmanagement, Digitalisierung, Menschenführung, Prozessdenken – und all das verbunden mit Umsetzungskompetenz. Impulse können die Institute sich durch externe Zugänge holen, so wie die Deutsche Bank das mit Kim Hammonds versucht
hat, aber nur wenn alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebunden werden, kann die Transformation gelingen. Dafür müssen Banken an der internen Front ihren Nachwuchskräften die nötigen Kompetenzen – insbesondere Teamfähigkeit und Führungswillen – vermitteln.
Auch externe Berater sind kein Allheilmittel. Traditionell setzen Banken gern und oft auf den Kompetenzzuwachs von außen, doch richtungweisende Mammutprojekte müssen intern verankert und
vorangetrieben werden, sollen sie Erfolg haben. Berater werden nach Tagen bezahlt, was bei mangelnder Steuerung und Führung durch den Auftraggeber zu Interessenskonflikten führen muss. Aktuell gilt das mehr denn je, weil sich die Kostensituation der Banken verschlechtert hat und die Beraterbudgets schrumpfen.

Kulturwandel und Digitalkompetenz

Bei der Ausbildung des eigenen Führungsnachwuchses lohnt sich ein Blick auf andere Branchen. Dort werden frühzeitig Potenzialträger in Programme aufgenommen, die eine mehrjährige Ausbildung mit unterschiedlichen Stationen in allen Unternehmensbereichen beinhaltet. Die Ausbildung drängt Silodenken zurück und ermöglicht es den Kandidatinnen und Kandidaten, ein eigenes, internes Netzwerk aufzubauen. Begleitet werden die zukünftigen Manager von Führungs-Coaches und Mentoren aus dem Senior Management. Führung und aktives Annehmen von Verantwortung können wie jede andere Kompetenz erlernt werden.
Doch Ausbildung und Förderung allein werden es nicht richten. Die Erkenntnis, dass nur schlanke und digitale Prozesse das eigene Institut werden retten können, führt direkt in die Transformation: Die Bank von morgen wird ein Technologieunternehmen sein. Viele Bankenvertreter treffen diese Aussage bereits selbst, doch den Worten müssen auch Taten folgen. In der Rollen- und Machtverteilung der Führungsriegen spiegelt sich dieses Wissen noch nicht wider.
Banken nutzen elektronische Datenverarbeitung seit mehreren Jahrzehnten und haben sie lange vor vielen anderen Branchen in ihre Geschäftsprozesse integriert. Wenn heute trotzdem kein Chief Technology Officer im Vorstand zu finden ist, dann bleibt auch die „IT-Abteilung” ein lästiger In-House-Dienstleister. Diese Aufstellung hat keine Zukunft. Der Wandel kann nur von oben kommen, also vom Vorstand und vom Aufsichtsrat. Sonst behält Bill Gates mit seiner Warnung an die Banken recht: „Banking is necessary, banks are not.“

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