Transformation fordert neue Managementkompetenzen
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Die deutsche Bankenlandschaft steht unter Druck. Die traditionellen Ertragsquellen versiegen, die Kosten sind zu hoch und die Digitalisierung stockt. Bisweilen fehlt der Mut, bewährte Geschäftsmodelle strategisch neu zu durchdenken und infrage zu stellen, oft auch die Führungs- und Umsetzungskompetenz, um ein Institut erfolgreich für die Zukunft zu transformieren.
Natürlich ist die Branche nicht nur in Deutschland im Umbruch. Doch blickt man ins Ausland, sieht dort die Lage oft weniger düster aus. Die bisherigen Anstrengungen deutscher Institute zur Steigerung der Profitabilität, Eigenkapitalrendite und zur Transformation der Geschäftsmodelle reichen nicht aus, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Blick auf die internationale Konkurrenz zeigt, dass es durchaus Lösungsansätze gibt. Es mangelt aber in Deutschland bisweilen an der Umsetzung. Und das ist letztendlich ein Management- und Führungsthema.
Die Corona-Pandemie verstärkt die Versäumnisse der Vergangenheit wie ein Brennglas. Unter erschwerten Bedingungen lassen sich Hemmschuhe, wie etwa die Abhängigkeit vom stationären Filialbetrieb im Privatkundengeschäft, noch schlechter kaschieren.
Die Anforderungen der Digitalisierung stehen seit Jahren fest. Auf der einen Seite wünschen die Kunden immer mehr und praktischere digitale Dienstleistungen, auf der anderen Seite zwingt der Kostendruck zu Effizienzsteigerungen, die sich nur digital erreichen lassen.
Solche Herausforderungen wirklich anzugehen, setzt eine Transformation des Geschäftsmodells und damit des ganzen Instituts voraus. Für einen solchen Schritt müssen Führungskräfte alle Mitarbeiter einbinden, abholen und motivieren. Das gelingt in der Regel nur erfahrenen und charismatischen Führungspersönlichkeiten, die sich im Unternehmen und in der Branche gut auskennen und ein hohes Maß an Lernfähigkeit ausweisen –Stichwort Digitalisierung. Diese Persönlichkeiten sind den meisten deutschen Banken Mangelware. Ein Richtungswechsel tut not.
Der Vertriebsfokus von gestern
Das aktuelle Kompetenzprofil in den Führungsebenen der Finanzbranche, insbesondere der Banken, ist das Produkt einer Nachwuchsstrategie, die andere Kompetenzen on den Mittelpunkt stellte. In einer Welt üppiger Erträge waren Menschenkenntnis, Führungskompetenz oder Verständnis für die sich rasant entwickelnde Digitalwirtschaft nicht die Karrierebeschleuniger, die sie unter anderen Umständen hätten sein können. Effiziente Prozesse und Kosteneinsparungen wurden vernachlässigt, weil es schlicht keine Notwendigkeit für sie gab. Karriere achten lange Zeit diejenigen, in deren Verantwortlichkeit Erträge und Vertrieb fielen. Sogar die Finanzkrise 2008/09 brachte keinen Richtungswechsel.
Konsequenterweise finden sich in den Führungsebenen der Finanzinstitute heute zu wenig Managerinnen und Manager, die umfassende Transformationen initiiert, begleitet oder erfolgreich abgeschlossen haben. Erfahrene Praktiker, die Geschäftsmodelle infrage gestellt, ein Haus neu strukturiert oder ausgerichtet hätten.
Dazu passt auch, dass in vielen Fällen die Verantwortung für IT und Prozesse entweder unterhalb der Vorstandsebene angesiedelt ist oder lediglich ein Teilressort eines Vorstandsmitglieds ausmacht. Und damit nicht genug: IT-Vorstände verdienen unterdurchschnittlich und haben weniger Mitspracherecht als ihre Kollegen.
Das steht im krassen Missverhältnis zur Bedeutung ihrer Aufgabe. In der digitalen Transformation, durch die Anforderungen der Corona-Pandemie noch einmal beschleunigt, ist die IT die größte Baustelle und trägt die größte Verantwortung für die Zukunftsfähigkeit der Branche.
Produktentwicklung mit Hindernissen
Wie entwickeln Technologiefirmen neue Produkte? Sie bringen am Tag eins des Projekts alle nötigen Abteilungen an einen Tisch. Oft genug sind das alle Abteilungen des Unternehmens. Denn in einer zunehmend vernetzten Welt haben immer mehr Produkte und Dienstleistungen Auswirkungen in viele verschiedene Richtungen. Designer, Ingenieure, Marketingexperten und Programmiere arbeiten von Beginn an gemeinsam. Selbst externe Kompetenzträger wie Lieferanten und Logistikdienstleister sind von Anfang an integriert.
Der Ansatz sorgt nicht nur dafür, dass alle wichtigen Sichtweisen und Belange berücksichtigt werden, er garantiert auch Tempo. Die Konkurrenz schläft nicht, und Time to Market ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
Viele Banken gehen ganz anders vor: Sie binden eine Abteilung nach der anderen ein und gestalten damit einen Entwicklungsprozess in Stufen. Kooperation und Vernetzung lassen sich auf diesem Wege nur schwer herstellen. Eine Serie von Abstimmungsschleifen erschwert Innovation und provoziert gegenseitige Schuldzuweisungen bei mangelndem Erfolg.
Ist der Kunde König?
Kaum eine Selbstdarstellung in der Finanzbranche kommt ohne das Thema Kundenorientierung aus. Was schon für das Offline-Kundenerlebnis eine mehr oder weniger stimmige Aussage in der Beratungs- und Produktpraxis ist, ist jedenfalls im Online-Bereich fast schon eine Lüge.
Richtig gute digitale Kundenerlebnisse bieten in der Finanzbranche allenfalls FinTechs. Ihre fast spielerische Interaktion mit Privatkunden unterscheidet sich stark vom bürokratischen und formalistischen Umgang der etablierten Institute. Nahtlose Multikanal-Interkationen sind Wunschdenken. Die Mitarbeiter zu einem Umdenken in den Köpfen zu bewegen, ist eine große Herausforderung.
Auch Firmenkunden haben höhere Erwartungen an Leistungen ihrer Bankpartner. Die reine Finanzierungsfunktion ist in Zeiten eines Überangebots an Liquidität austauschbar. Zusatzleistungen und an die Wertschöpfungsketten der Kunden angepasste Lösungsansätze sind gefordert.
Es wird von Unternehmen nicht erwartet, dass die Bank alles inhouse anbietet, sondern dass sie als Generalunternehmer die involvierten Partner einbindet und steuert und letztendlich die Verantwortung übernimmt. Die Kooperation von Banken und FinTechs im Rahmen von Supply-Chain-Finanzierungen ist ein Modell, das sich in Zukunft etablieren könnte: Die Bank stellt die Finanzierung, das FinTech die IT-Plattform für die Anbindung von Zulieferern und Kunden.
Auf dem Weg zur agilen Organisation ist eine neue Manager-Generation gefordert, die Innovationen fördert, das hergebrachte Silodenken zurückdrängt und den Mut hat, Unkonventionelles auszuprobieren. Ernst genommene Kundenorientierung bedeutet, nicht nur Produkte und Dienstleistungen neu zu denken, sondern auch die eigene Aufstellung und Struktur.
Ein Kulturwandel ist erforderlich
Projektmanagement, Digitalkompetenz, Menschenführung, Prozessdenken, Umsetzungskompetenz… Auch der fähigste und erfahrenste Bank-Manager wird selbstverständlich nicht alle Kompetenzen in einer Person vereinen, die das Institut benötigt – das wäre ein unrealistisches Profil.
Insbesondere für Spezialkenntnisse, die im Alltagsgeschäft keine oder nur eine kleine Rolle spielen, bietet es sich an, externen Sachverstand dazuzuholen. Sogenannte Lateral Hires, also die Einstellung von Quereinsteigern, können frische Ideen und neue Erfahrungen mitbringen, und eine gezielte Weiterbildung von Nachwuchskräften kann den Pool für Führungspositionen vergrößern und stärken.
Daneben kommt externer Sachverstand in Betracht – und oft genug auch zum Einsatz. Doch gerade bei richtungsweisenden Projekten, die das ganze Haus betreffen, sind die Möglichkeiten der Externen begrenzt. Zum einen können externe Berater zwar Maßnahmen entwickeln, sie können sie aber nicht im Institut vermitteln.
Veränderung macht Angst, und nur eine interne Führungskraft kann die nötige Mehrheit der Belegschaft hinter sich versammeln, um die Veränderung zum Erfolg zu machen. Zu lange wurde ignoriert, dass Digitalkompetenz und schlanke Prozesse zur Kern-DANN eines erfolgreichen Managements einer Bank gehören, als dass man die Aufgabe einfach an externe Beraterinnen und Berater weiterdelegieren könnte.
Zum anderen muss die Steuerung der externen Berater intern verankert sein. Die Praxis, nach Zeit abzurechnen, kann ohne Korrektiv nur zu Interessenskonflikten führen. Anders als in den letzten Jahren müssen viele Institute heute sehr wohl auf die Kosten achten und können sich keinen Wildwuchs leisten.
Führung ist lernbar
Es ist Zeit, einen Blick auf andere Branchen zu werfen. Schließlich benötigen nicht nur Banken Führungsnachwuchs. Außerhalb der Finanzbranche ist es üblich, Potenzialträger mit maßgeschneiderten Programmen auf zukünftige Aufgaben vorzubereiten.
Eine mehrjährige Ausbildung mit unterschiedlichen Stationen in allen Bereichen eines Instituts ist eine der besten Startrampen für eine erfolgreiche Managementkarriere. Wer alle Bereiche kennt, ist weniger anfällig für Silodenken und konnte schon frühzeitig ein eigenes internes Netzwerk knüpfen.
Führungs-Coaches und Mentoren aus dem Senior Management können auf diesem Weg ebenfalls viel bewirken. Führung ist letztlich ein Job wie andere auch – sie ist lernbar.
Aber auch kulturell müssen zukünftige Bank-Manager ihr Mindset verändern und bereit sein, alternative Laufbahnkonzepte den traditionellen linearen vorzuziehen, um flexibel auf eine sich ändernde Geschäftswelt zu reagieren. Eine kontinuierliche Bewertung des eigenen aktuellen Kompetenzportfolios und des zukünftig Erwarteten ist unabdingbar, um mögliche Lücken zeitnah schließen zu können. Außerdem müssen Vorstände und Aufsichtsräte das Thema Diversity in Bezug auf Geschlecht, kulturellen Hintergrund und ungewöhnliche Karrierewege in der Top-Ebene bei Neubesetzungen aktiver angehen. Diverse Teams sind erfolgreicher, insbesondere in einem dynamischen Umfeld mit sich schnell verändernden Kundenerwartungen.
Unabhängig von Einstellungen, Ausbildung und Förderung jedoch müssen Banken einen Transformationsprozess durchlaufen, der jeden Stein umdreht. Sie müssen sich zu Technologieunternehmen wandeln, die – dem Trend des Open Bankings folgend – deutlich mehr Schnittstellen zu externen Kooperationspartnern und Dienstleistern haben werden. Diese Entwicklung wird zu einer Verschiebung in der Wertschöpfungskette der Banken führen und Ertragsmodelle grundlegend verändern.
Fazit
In Zukunft wird entscheidend sein, wer die interessantesten, besten Schnittstellen sowie den größten Mehrwert für den Kunden bietet. Viele Bankenvertreter äußern sich bereits entsprechend, doch den Worten müssen auch Taten folgen. In der Rollen- und Machtverteilung der Führungsriegen spiegelt sich dieses Wissen noch nicht wider.
Banken nutzen elektronische Datenverarbeitung seit mehreren Jahrzehnten und haben sie lange vor vielen anderen Branchen in ihre Geschäftsprozesse integriert. Wenn heute trotzdem kein Chief Technology Officer im Vorstand zu finden ist, dann bleibt auch die „IT-Abteilung“ ein lästiger Inhouse-Dienstleister. Diese Aufstellung hat keine Zukunft. Der Wandel kann nur von oben kommen, also vom Vorstand und vom Aufsichtsrat.