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Die Banken im Generationendilemma

Presse

indigo_hh_karin_065von Dr. Karin Schambach

Branche braucht wieder Führungspersönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit stehen
Visionäre den Erfolg des digitalen Wandels glaubhaft vermitteln

Die Finanzbranche leidet spätestens seit der Finanzkrise an einem deutlichen Imageverlust. Eine wirkliche Erhöhung der Reputation ist nicht in Sicht. Negative Schlagzeilen prägen nach wie vor das Bild, unabhängig davon, ob man das Augenmerk eher auf rein wirtschaftliche oder kulturelle Aspekte legt. Für Fach- und Führungskräfte scheint die Branche an Attraktivität verloren zu haben. Aber es gibt auch Licht am Ende des Tunnels.

Das Bild, das sich den Bankern gerade bietet, ist wenig erbaulich. Viele, die ihre Karriere in der Finanzwirtschaft geplant und umgesetzt haben, stehen vor einem Dilemma. Wer zu lange bei seinem Arbeitgeber beschäftigt ist und die 50 deutlich überschritten hat, läuft Gefahr, in Altersteilzeit oder in den Vorruhestand geschickt zu werden. Erfahrung scheint derzeit weniger geschätzt zu werden. Oder sie ist tragischerweise schlichtweg zu teuer, wenn man die aktuellen Kostensparprogramme betrachtet. Die Konsequenz daraus? Die Finanzindustrie verabschiedet gerade eine Generation, die den Höhepunkt der Branche erleben durfte, eine, die stolz an Wachstum, Leistungsausbau und Internationalisierung mitgewirkt, aber eben auch in den letzten zehn Jahren den kontinuierlichen Abstieg miterlebt hat. Erschöpft und teils desillusioniert verlassen viele nun das Spielfeld.

Junge Generation will mehr

Welches Bild und welche Perspektiven vermittelt das Ausscheiden der erfahrenen Experten der nachkommenden Generation? Welche Berufsempfehlungen geben die erfahrenen Banker, die nun das Feld räumen, jungen Berufsanfängern mit auf den Weg? Statistische Erhebungen gibt es dazu nicht, aber Personalberater erleben, dass die Bankenbranche nur noch in seltenen Fällen als erstes berufliches Ziel angegeben wird.

Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die Zahl der Absolventen von Business Schools zurückgegangen ist, die eine Karriere in einer Bank anstreben. Hinzu kommt der generelle gesellschaftliche Trend, dass die junge Generation sich schwertut, in Konzernen mit hierarchisch organisierten, eher unflexiblen Strukturen zu arbeiten. Sie hat andere Ziele und Vorstellungen von ihrem Leben. Sie legt Wert auf Work-Life-Balance oder Work-Life-Flexibility, also selbstbestimmtes Arbeiten in Verbindung mit hoher Lebensqualität im beruflichen Umfeld. Dazu gehören etwa flexible Arbeitszeitmodelle und das räumlich flexible Arbeiten im Home Office – bei vielen Banken aktuell immer noch eher Mangelware.

Vermeintliche Schlipsträger

Viele Jüngere glauben nicht daran, ihre beruflichen Wünsche im noch eher hierarchisch geprägten, wenig flexiblen Umfeld der vermeintlich steifen Schlipsträger finden zu können. Denn dieses Image eilt den Banken nach wie vor voraus – trotz der Bemühungen der Branche, sich nach außen und innen neu zu definieren. Der innere Umbau benötigt Zeit, Investitionen und Kreativität. Angesichts der Baustellen, die gerade einige der größeren Institute haben, können diese nicht ihr volles Augenmerk auf den Kulturwandel richten. Modernisierung einer oft stark überalterten IT, Strafprozesse vor deutschen und ausländischen Gerichten, neuartige Konkurrenz in großer Zahl – Stichwort Fintechs –, neue Geschäftsmodelle, nationale und internationale Regulierungsauflagen: Alle diese Entwicklungen treiben das Management der Banken vor sich her. Sie lassen keinen großen Spielraum für eine Neuorientierung im Sinne des Generationenwandels.

Während die junge Generation noch die Wahl hat, stehen die mittleren Jahrgänge vor einem Dilemma: Sollen sie die Finanzindustrie verlassen, bevor es zu spät ist, und in einer anderen Branche Fuß fassen? Oder zumindest von den Großbanken hin zu kleineren spezialisierten Anbietern wechseln? Es gibt durchaus attraktive Möglichkeiten, wie beispielsweise Pensionskassen von Unternehmen, Versorgungswerke oder Family Offices. Dort wäre es möglich, das erworbene Kapitalmarktwissen zu nutzen, ohne direkt in der Bankbranche tätig zu sein.

Sicherheitsbedürfnis

Denn eine Alternative, die medial und im Markt als äußerst interessant dargestellt wird, ist, zu einem der aufstrebenden Fintechs zu wechseln. Dem entgegen steht allerdings häufig das Sicherheitsbedürfnis. Gerade wer langfristige finanzielle Verpflichtungen hat oder beispielsweise eine Familie zu ernähren hat, kann sich das Risiko oder das Abenteuer, zu einem Start-up zu wechseln, oftmals nicht leisten. Auch Themen wie die Identifikation mit dem Arbeitgeber, Solidarität mit den Kollegen und schon erworbene betriebliche Versorgungspakete halten viele davon ab, in mittleren Jahren den Absprung zu wagen.

Diese Überlegungen unterscheiden die mittleren Jahrgänge fundamental von der jungen Generation. Wenn deren Interesse der Finanzbranche gilt, dann sind die Fintechs eine ernsthafte und in vielerlei Hinsicht attraktive Alternative. Fintechs, das heißt für viele, in einem ,,hippen‘‘ Umfeld zu arbeiten und sich noch dazu Know-how anzueignen, das in Zukunft gefragt sein wird – im Zweifel auch in den dann transformierten Banken. Das große Schlagwort lautet hier Digitalisierung der Geschäftsmodelle generell, der Produkte und Dienstleistungen.

Modell steht unter Druck

Das Modell der klassischen Banken steht unter Druck, und vieles von dem, was derzeit in Bezug auf Personalplanung und –umstrukturierung passiert, ist unausweichlich. Nicht zum Spaß unterziehen sich die Institute aktuell einer Schrumpfungskur. Nicht zum Spaß trennt man sich jetzt bereits von Mitarbeitern, deren Kompetenz in Zukunft nicht mehr in gleicher Weise gefragt sein wird. Viele der Jobs der Vergangenheit wird es in Zukunft nicht mehr geben – aber wann genau das im Einzelfall eintreten wird und welche Berufsbilder in welchem Ausmaß betroffen sein werden, ist nicht einfach abzuschätzen.

Aber dennoch: Auch wenn sich viele Banken gerade eher verschlanken müssen, es werden dennoch immer wieder qualifizierte und motivierte Mitarbeiter gesucht, die engagiert die Prozesse begleiten, eine neue Zukunftsperspektive entwickeln und wachstumsträchtige Geschäftsfelder auf- und ausbauen.

Das Problem, trotz Imageverlust und trotz Entlassungen der älteren Mitarbeiter die jüngeren zu motivieren, ihre Chance in den Banken zu sehen, lässt sich nicht mit einem Handstreich lösen. Nach der Hochphase des Investment Banking schien es das oberste Ziel gewesen zu sein, ein Bild der Solidität abzugeben und aus der öffentlichen Diskussion herauszutreten, Demut zu demonstrieren und die Hausaufgaben zu machen. Aber diese Phase ist vorbei. Die Branche benötigt wieder Führungspersönlichkeiten, die im Lichte der Öffentlichkeit stehen und die als Visionäre den Erfolg des digitalen Wandels glaubhaft vermitteln.

Daimler-Chef Dieter Zetsche beispielsweise hat diesen Weg eingeschlagen. Er vereint Seriosität und Erfahrung mit einem zunehmend modernen, lockeren Auftritt.

Positive Signale senden

Bankmanager sollten positive Signale senden, damit ihre Unternehmen wieder als attraktive Arbeitgeber, bei denen man – zu veränderten Bedingungen – Karriere machen kann, wahrgenommen werden. Stabilität und Selbstbewusstsein in einer Phase des Umbruchs zu zeigen, ist nicht einfach. Insofern tut es not, an die Stelle des Umbruchs den Aufbruch zu setzen.

Aufbruch aber heißt, den Wandel zur Digitalisierung, aber auch zum Kulturwandel aktiv zu gestalten: durch Investitionen in neue Systeme und digitale Prozesse. Neue Positionen zu schaffen, ohne die alten zu schnell wegzurationalisieren, damit die Sorge über die berufliche Perspektive – ob jung oder bereits älter – gering bleibt. Und durch die Schaffung neuer Arbeitsmodelle, neue Durchlässigkeit in den Hierarchien, Transparenz in der Kommunikation, gelockerte Dresscodes, Weiterbildung und den Ausbau eigener Ausbildungsplätze, um die jüngere Generation zu erreichen. Also den digitalen und den gesellschaftlichen Wandel leben, indem man digitales Arbeiten und andere Veränderungen zulässt und aktiv gestaltet.

Der Artikel erschien in: Börsen-Zeitung, Sonderbeilage: Aus- und Weiterbildung in der Finanzwirtschaft, Ausgabe 95 vom 19.5.2018

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