Die große Gier
Sie haben die Finanzkrise mit verschuldet – trotzdem kassieren Investmentbanker horrende Bonuszahlungen.Die Kritik an der systematischen Selbstbereicherung wächst – auch weil die Banken selbst darunter leiden.
Jimmy’s Bar im „Hessischen Hof“ direkt gegenüber der Frankfurter Messe ist ein gediegener Ort für den gepflegten Absacker nach dem erschöpfenden Arbeitstag. Mit den Porzellantellern hinter Glas, den braunen Ledersesseln und dem dicken Perserteppich ist der täglich bis vier Uhr morgens geöffnete Kellerclub seit Jahrzehnten ein beliebter Treffpunkt all jener, die nicht allzu sehr aufs Geld achten müssen. Wenn Frankfurts Investmentbanker und Finanzinvestoren feiern, lassen sie sich hier auch mal eine Flasche Krug Vintage Champagner für 405 Euro kommen. Auch am Dienstagabend ist der eichengetäfelte Keller gut gefüllt. Selbst das Rauchverbot hat vor Jimmy’s Bar haltgemacht, eine Zigarre nach der anderen verlässt den Humidor. Die Luft wird würzig, die Gläser klirren. Um kurz nach zehn beginnt der Pianist dezent zu klimpern. Als Erstes erklingt ein Louis-Armstrong-Klassiker — „What a wonderful World“ Das passt. Denn allen Turbulenzen der vergangenen Monate zum Trotz ist die Finanzkrise bisher kaum in den Portemonnaies der Investmentbanker angekommen. Ihre Bonuszahlungen sind im Vergleich zum vergangenen Rekordjahr insgesamt nahezu konstant geblieben, viele Banken haben trotz Milliardenabschreibungen die Gesamtsumme der Ausschüttungen sogar erhöht. Banker im Anleihegeschäft müssen sich zwar mit weniger zufriedengeben. Ebenso jene, die ausgerechnet mit den komplizierten auf verbrieften Hypotheken basierenden Finanzprodukten zu tun hatten, die die Krise des Finanzsystems auslösten. Doch ganz leer gehen in vielen Fällen nicht einmal sie aus. Und Übernahmeexperten streichen vielerorts sogar ein Rekordtaschengeld ein.
Nach der Logik des Systems ist das erst mal vollkommen in Ordnung. Doch noch nie war diese Praxis mit einem derart üblen Beigeschmack behaftet, noch nie warf sie derart viele Fragen auf. Kann die individuelle Leistung wirklich eine derart hohe Priorität gegenüber dem Gesamtergebnis der Bank haben? Ist es richtig, dass Banker in guten Zeiten alles gewinnen, in schlechten aber nur wenig verlieren können? Sollte das Interesse der Aktionäre nicht höher zu bewerten sein als das meist ohnehin schon gewährleistete Geldglück der am besten bezahlten Mitarbeiter?
Zumal gerade das Entlohnungssystem die aktuellen Verwerfungen zu einem erheblichen Teil erst verursacht hat. Denn allen zaghaften Bemühungen um mehr Langfristigkeit – etwa durch eine stärkere Aktienkomponente – zum Trotz belohnt es nach wie vor besonders die riskanten Geschäfte, die kurzfristig eine hohe Rendite versprechen. Gerade in den höheren Etagen der Investmentbanken, die mit der Beratung bei Übernahmen, Börsengängen und der Konstruktion von Finanzprodukten ihr Geld verdienen, macht der Bonus meist ein Vielfaches des Grundgehalts aus.
Richtig hoch fällt er vor allem dann aus, wenn ein Banker den Markt schlägt oder möglichst große Geschäfte einstielt. Das Risiko steigt hier jedoch mindestens proportional zur Rendite. Auf längere Sicht ist das oft zum Schaden der Banken: So gehen Experten davon aus, dass die Verluste bei den auf Immobilienkrediten basierenden Finanzkonstruktionen mittlerweile alle jemals mit diesen Produkten erzielten Gewinne übertreffen.
Der Wettbewerb unter den Angestellten ist knallhart. Die individuelle Leistung steht bei der Vergabe der Sonderzahlungen im Vordergrund. Nach oben sind den Zahlungen keine Grenzen gesetzt. Das führt dazu, dass die Banker in guten Zeiten so viel verdienen können, dass sie für immer ausgesorgt haben. Da sie zudem bei Verlusten nichts zurückzahlen müssen, steigt der Anreiz, sich auf riskante Geschäfte einzulassen. Denn wenn erst einmal ein paar Millionen auf dem Konto liegen, lässt sich auch eine Entlassung leicht verschmerzen.
Das gilt auch für einen Mann, der zwar kein Investmentbanker ist, aber wohl gerne in der großen Liga mitspielen wollte. Stefan Ortseifen, Ex-Chef der IKB, trieb seine Bank munter ins riskante Geschäft mit Kreditverbriefungen. Für das Geschäftsjahr 2006 erhielt er eine Million Euro Bonus. Die durch diese Spekulationen entstandenen Milliardenverluste muss nun aber der Steuerzahler ausgleichen Am weltweit wichtigsten Finanzplatz New York mussten bereits einige Geldprofis ihren Stuhl räumen. Für die übrigen sind die Einbußen in diesem Jahr im Durchschnitt minimal. Die gesamten Zusatzzahlungen gingen nach einer Schätzung der New Yorker Steuerbehörde 2007 im Vergleich zum Rekordjahr 2006 gerade mal um zwei Prozent auf 33,2 Milliarden Dollar zurück.
Auch an Europas Finanzplatz Nummer eins, in London, haben sich anfängliche Befürchtungen der Geldelite nicht bewahrheitet. Noch im Herbst hieß es, die Ausschüttungen würden um mindestens 20 Prozent sinken. Doch schon nach den ersten Jahresgesprächen machte sich Zuversicht breit. „Viele sind erleichtert, weil die Boni nicht schlecht ausfallen“, sagt ein Insider.
Von den deutschen Banken liegen noch keine konkreten Angaben für 2007 vor. Mit einem flächendeckenden Einbruch rechnet allerdings niemand. Den Trend geben die angelsächsischen Institute vor. Mit Rekordzahlungen geklotzt haben vor allem jene, die die Krise bislang weitgehend unbeschadet überstanden haben. Dank des vierten Rekordergebnisses in Folge erhöhte Goldman Sachs die Zahlungen an die Angestellten auf insgesamt 20 Milliarden Dollar. Im Durchschnitt erhält jeder Mitarbeiter so nun 660 000 Dollar, Bankchef Llyod Blankfein darf fast 70 Millionen mit nach Hause nehmen. Auch der kleinere Konkurrent Lehman Brothers legte mit insgesamt 9,5 Milliarden Dollar an Boni im Vergleich zum Vorjahr fast eine Milliarde drauf.
Doch auch gebeutelte Banken lassen sich nicht lumpen. So enthält der Bonustopf bei Morgan Stanley mit 16,5 Milliarden Dollar rund zwei Milliarden mehr als im Vorjahr. Die Bank musste aufgrund der Krise bislang fast zehn Milliarden Dollar abschreiben, konnte aber immer noch einen Milliardengewinn ausweisen. Auch bei der Citigroup und der UBS hält sich der Rückgang in Grenzen. Allenfalls ein symbolischer Akt ist es, dass Top-Banker wie Marcel Ospel von der UBS, John Mack von Morgan Stanley und James Cayne von Bear Stearns auf ihre jährliche Sonderzahlung verzichteten. Cayne nutzte das nichts. Er musste zurücktreten.
Mitleid ist unnötig. In den Jahren davor haben sie deutlich zweistellige Millionenbeträge kassiert. Auf den Ebenen unter ihnen geht der Tanz ums große Geld weiter. Ganz so ausgelassen wie im vergangenen Jahr ist die Stimmung nicht. Die ersten Entlassungswellen lassen auch unsensiblere Nadelstreifennaturen nicht ganz kalt, zumal jeder ahnt, dass noch etwas nachkommt. Für das laufende Jahr rechnen die meisten Experten zudem mit rückläufigen Ergebnissen. Und doch: Dass Zockernaturen plötzlich im Büßergewand herumliefen, ist nicht zu erkennen.
Im Gegenteil: Das Geld sitzt weiter locker. Garry O’Dea etwa, der beim Autohaus H. R. Owen im schicken Londoner Stadtteil Kensington and Chelsea Ferraris verkauft, spürt bisher keine Folgen der Finanzkrise. „Wir sind noch sehr beschäftigt, wir haben gar keinen Abschwung gesehen“, sagt er. Wer heute bei O’Dea einen Ferrari bestellt – das kleinste Modell, den F430, gibt es ohne alle Extras zum Grundpreis von 150 000 Euro -, muss sich gedulden. Bis zur Lieferung vergehen wegen der großen Nachfrage bis zu drei Jahre.
Das Restaurant „Vivat Bacchus“ am Rand der Finanzmeile bietet seit Ende Januar ein Sieben-Gänge-Menü für 1000 Pfund an. Besitzerin Neleen Strauss ist sich sicher, den Nerv ihrer Gäste getroffen zu haben. Schließlich befriedige sie ein tiefsitzendes Bedürfnis: „Viele fragen in der Bonussaison nach etwas ganz Besonderem“, meint sie, und: „Mit ihren Prämien wollen sich die Leute ein wenig verwöhnen.“
Die Verschwendungsskala ist nach oben offen. So hat der Londoner Club „Movida“ an der Argyll Street in Soho kurz vor Weihnachten einen dem festlichen Anlass angemessenen Spezialcocktail ins Programm aufgenommen. Das „Flawless“ genannte Mischgetränk besteht aus Louis-XII-Cognac, Cristal-Rose-Champagner und 24-karätigen Goldflocken. Sollte sich jemand an dieser Kreation verschlucken, liegt das nicht am Preis von umgerechnet 50 000 Euro, sondern am auf dem Boden des Glases versteckten Diamantring.
Auch in New York muss die Bankerseele nicht auf Wohlgefühl verzichten. Trotz großer Verluste und unsicherer Märkte wurden „viele 2007 mit Bonus-Manna aus dem Himmel überschüttet“, seufzt die aktuelle Ausgabe des Branchenblatts „Trader Monthly“ unter der Überschrift „Lasst es regnen“ erleichtert. Das ist auch für das Magazin erfreulich, versorgt es seine Leser doch nicht nur mit Finanznachrichten, sondern auch mit den Must-haves der Saison. Bei der diesjährigen Leserbefragung erreichten ein Aston Martin DBS für 265 000 Dollar, eine Patek Phillipe 5960 für 63 500 Dollar und ein Johnnie Walker Blue Label 1805 für 20 000 Dollar in ihren Kategorien die Spitzenplätze. Für 20 000 Dollar kann man sich alternativ zwar keinen Geschmack, aber einen handgefertigten Goldrahmen im Barockstil zur Veredelung des heimischen Plasmafernsehers zulegen.
Sicher, es ist nur eine kleine Minderheit der Spitzenverdiener, die es derart krachen lässt. Und allzu offensichtliche Exzesse einiger Kollegen werden in der Branche durchaus kritisch beäugt. Einige Banken haben sie ihren Mitarbeitern sogar unter Androhung von Sanktionen untersagt. „Das sind vor allem Wertpapierhändler, Hedgefonds-Manager und Private-Equity-Leute“, meint ein um Abgrenzung bemühter Frankfurter Banker.
Die Lust am offen zur Schau gestellten Luxus ist in Deutschland ohnehin weniger ausgeprägt als in den angelsächsischen Geldzentren, auch wenn direkt vor dem im vergangenen Jahr eröffneten Szenetreff „King Kamehameha Suite“ am Abend schon mal ein Aston Martin mitten auf dem Gehsteig parkt. „Wirkliche Investmentbanker investieren lieber in diskretere Hobbys wie das Segeln“, sagt ein Banker. Und, natürlich, in Immobilien.
Die Finanzmetropolen bieten dem großen Geldbeutel auch hier reichlich Auswahl. Luxusmakler wie von Poll oder Villaport bieten gerade in den Taunusvorstädten auch Villen für den besonderen Geschmack an. Aktuell steht in Bad Homburg etwa eine 18-Zimmer-Residenz mit 1100 Quadratmeter Grundfläche für 6,5 Millionen Euro zum Verkauf.
In New York gibt es dafür nur eine ärmliche Hütte. Der 168 Meter hohe Neubau „15 Central Park West“ gilt schon jetzt als erfolgreichstes Immobilienprojekt in der Geschichte der Stadt. Für die 201 Wohnungen hat Bauherr Arthur Zeckendorf insgesamt rund zwei Milliarden Dollar kassiert. Eingekauft haben sich unter anderen der Popstar Sting und der Schauspieler Denzel Washington, doch die wirklich repräsentativen Räume schnappten sich andere. Für 45 Millionen Dollar erstand der Hedgefonds-Manager Daniel Loeb gleich eine ganze Etage, 42,4 Millionen Dollar legte Sandy Weill, Ex-Chef der Citigroup, hin. Auch fünf hochrangige Manager von Goldman Sachs, darunter Chef Llyod Blankfein, zählen zu den Erwählten.
Innerhalb der Branche regt sich inzwischen Selbstkritik. So forderte Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann kürzlich dass der „Bonus atmen muss“. Er habe kein Verständnis für Banken, die ihre Zahlungen trotz zum Teil heftiger Verluste noch erhöht hätten. Ackermann kündigte an, dass sich das Institute of International Finance, dessen Vorsitzender er ist, mit der Entwicklung eines Branchenstandards beschäftigen wird. Nach Angaben der Deutschen Bank stehen die Diskussionen am Anfang.
„Es muss in der Natur der Sache liegen, dass die Boni in guten Zeiten steigen und in schlechten fallen“, sagt auch Andreas Dombret, Deutschland-Chef der Bank of America. „Der variable Gehaltsbestandteil muss eben flexibel sein.“
Was er ganz offensichtlich nicht immer ist. Hinter vorgehaltener Hand äußern sich Branchenvertreter denn auch wesentlich deutlicher über den abermaligen Geldregen. „Absolut unverantwortlich“ und „geradezu obszön“ sei es, wie einige Institute in diesem Jahr mit dem Thema umgingen, sagt ein hochrangiger Banker. „Wir haben alle in den vergangenen Jahren viel Geld verdient. Diese Anpassungen sind einfach nicht erforderlich“, meint auch ein Top-Banker einer großen internationalen Bank.
Die betroffenen Institute sehen das naturgemäß anders. „Sie können ihren Mitarbeitern nicht auf einmal nur noch zehn Prozent des Vorjahresgehalts zahlen“, verteidigt sich ein Investmentbanker einer angeschlagenen Bank. Wer die Anfang des Jahres geweckten Erwartungen derart enttäusche und die individuelle Leistung nicht honoriere, laufe Gefahr, seine besten Leute an die Konkurrenz zu verlieren. Im nächsten Aufschwung würden die dann fehlen.
Ob dieses Argument tatsächlich sticht, ist in der Branche freilich umstritten. „Das gilt nur für ausgewählte Spitzenkräfte“, sagt Andreas Halin, Deutschland-Chef der Personalberatung Whitehead Mann. „Für die breite Masse ist der Markt derzeit nicht aufnahmefähig.“ Das bestätigt ein Londoner Investmentbanker: „Die Lage ist nicht so, dass wer mit seinem Bonus nicht zufrieden ist, morgen weg ist.“
Die gegenwärtige Praxis kostet die Banken nicht nur bei der Bezahlung viel Geld. Sie verleitet auch zu Geschäften, die manchmal die Grenze des Legalen überschreiten. 300 000 Euro erhoffte sich etwa der Aktienhändler Jérôme Kerviel von seinem Arbeitgeber, der französischen Großbank Société Générale. Er war auf einem guten Weg dahin, schließlich hatte er mit seinen Geschäften zunächst 1,4 Milliarden Euro verdient. Doch dann brach sein System aus falschen Passwörtern und Scheingeschäften mit einem lauten Knall zusammen. Die größte Fehlspekulation der Geschichte kostete die Bank schließlich netto fast fünf Milliarden Euro.
Derartiges Handeln ist selten, kommt aber vor. So kann ein Berater von einem Fall bei einer deutschen Bank berichten, bei dem sich vor Jahren eine ganze Abteilung auf Initiative ihres Chefs verspekulierte. Der Schaden lag bei 400 Millionen Euro. Die Motivation: Der ältere Vorgesetzte wollte es einem jüngeren Konkurrenten noch einmal zeigen. „Es geht nie darum, die Bank direkt zu schädigen“, sagt der Berater. „Es geht immer um falschen Ehrgeiz.“
Nirgendwo sonst gilt das Leistungsprinzip derart konsequent wie im Investmentbanking. Und nirgendwo sonst ist es derart gefährlich. „Die Spannbreite bei den Zahlungen ist enorm“, sagt Martin Emmerich, Bankenexperte bei der Vergütungsberatung Towers Perrin. „Die Häuser haben überhaupt keine Skrupel, einem schwächeren Mitarbeiter gar keinen Bonus zu zahlen“, bestätigt ein Londoner Banker.
Das erhöht den Druck. Zum einen, weil das Fixgehalt kaum reicht, um in London standesgemäß über die Runden zu kommen. Selbst Banker im Status eines Direktors bewegen sich meist im unteren sechsstelligen Gehaltsbereich. Bei Mieten, die locker mehrere Tausend Pfund pro Monat betragen und Schulgeld von bis zu 30 000 Pfund pro Jahr kann es da eng werden. „Der Bonus ist mein einziges frei verfügbares Kapital“, sagt ein Londoner Banker.
Es geht aber nicht nur ums Geld. Der Bonus schafft in einer Abteilung eine klare Rangordnung. Zwar ist die individuelle Höhe streng geheim, doch lässt sie sich mit etwas Mühe zumindest annähernd nachvollziehen. Wer sein Gehalt nicht via Bonus vervielfacht, gar mit einer Nullrunde auskommen muss, dem haftet, wenn er nicht ohnehin gehen muss, ein Verliererimage an. Und wer aus Kostengründen die Golf- oder Polo-Clubmitgliedschaft aufgibt, wer sich nicht mehr in den teuren Clubs der Stadt sehen lassen kann, ist schlicht „out“.
Gerade im Wertpapierhandel versuchen einzelne Banker deshalb immer wieder, mit dubiosen Tricks die eigene Erfolgsbilanz aufzupolieren. Das funktioniert zum Beispiel so: Ein Händler kauft kurz vor dem Jahreswechsel große Aktienpakete, darunter auch hoch spekulative Papiere. Falls die Kurse am gleichen Tag steigen, bucht er – wie üblich – die auf dem Papier erzielten Kursgewinne in die Gewinn- und Verlustrechnung der Bank ein. Damit verbessert er sein Handelsergebnis, sein Bonus steigt.
Wenn der Kurs der Papiere aber nach unten geht, ist das schlecht fürs Handelsergebnis. Der Händler kann dann aber für einen begrenzten Zeitraum die Papiere abseits parken. „Dann werden sie erst nach einer bestimmten Frist in die Gewinn- und Verlustrechnung eingebucht. Damit bleibt genug Zeit, um den potenziellen Verlust über den Jahreswechsel zu verschieben und den Bonus ins Trockene zu bringen“, sagt ein Banker. Allerdings ist das Risiko aufzufliegen, hoch. Die Handelsüberwachung schaut zum Jahresende genau hin. Und die Tricks kennen die natürlich auch.
Die Banken profitieren durchaus davon, wenn ihre Angestellten ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Etwa dann, wenn ein Händler auf Kosten der Kunden den Ertrag optimiert. Möglich ist das, wie Banker berichten, etwa bei Kapitalerhöhungen börsennotierter Unternehmen. Aktien werden hier üblicherweise im Lauf eines Vormittags in den Markt gedrückt. Bei der Zuteilung bleibt den Bankern Spielraum. Dabei gibt es gleich zwei Möglichkeiten, wie sie profitieren können.
Wenn beispielsweise eine Aktie, die zu 19,50 Euro platziert werden soll, in der Platzierungsphase so stark gefragt ist, dass der Kurs beständig über 20 Euro liegt, kann die Bank entweder mehr Aktien auf die eigenen Bücher nehmen und den Kunden, die geordert haben, weniger Aktien zuteilen oder Stammkunden bevorzugen. Die Bank kann sich auch Aktien leihen, diese zum Kurs von über 20 Euro am Markt verkaufen und die geliehenen Stücke später aus der für die Platzierung bestimmten Tranche zu 19,50 Euro zurückgeben. Legal ist das freilich nicht.
Gravierender als solche Einzelfälle ist freilich der institutionalisierte Anreiz, Kunden zu riskanten oder sinnlosen Geschäfte zu drängen. Dabei rechnet es sich für einen Übernahmeexperten in den meisten Fällen, wenn er einem Kunden einen Firmenkauf aufschwatzt, der strategisch keinen Sinn ergibt, oder ihn in eine Beteiligung drängt, die sich als Groschengrab erweist. Hauptsache, das Volumen stimmt.
Zu den großen Profiteuren des Deal-Drucks gehörten in den vergangenen Jahren die Private-Equity-Firmen. Fast grenzenlos wurden sie mit frischem Geld für Übernahmen ausgestattet, alle Sicherheiten dabei fallengelassen. Dass sie die Investoren damit zu schädlicher Finanzakrobatik anstifteten und manches übernommene Unternehmen anschließend unter einem gewaltigen Schuldenberg begraben lag, interessierte die Banker nicht.
So wundert es auch nicht, wenn mancher Investor jetzt über die große Gier der Banker spottet. „Wenn die Jungs im April aus dem Ski-Urlaub wiederkommen und feststellen ,Hoppla, ich hab ja noch gar nichts für meinen Bonus getan‘, kommen die anschließend wieder auf uns zu“, sagt ein Top-Manager einer angelsächsischen Private-Equity-Gesellschaft. Im Augenblick herrscht freilich noch Katerstimmung, weil sich viele Kreditpakete aus Übernahmen nur mit massiven Abschlägen weiterverkaufen lassen und somit die Investmentbanken selbst zu den Verlierern zählen.
Ihr sogenanntes Alpha und damit den Hauptbestandteil ihres Bonus können die Banker nur optimieren, wenn sie besser abschneiden als die Marktentwicklung. Da verwundert es nicht, dass sie in den vergangenen Jahren herzhaft in die auf wackeligen US-Immobilienkrediten basierenden Kreditkonstruktionen investierten. Diese waren zwar ziemlich riskant, brachten aber in den ersten Jahren auch eine deutlich höhere Rendite als solide, aber eben auch langweilige Staatsanleihen – bis die Blase im vergangenen Sommer platzte.
Was aber tun die Banken? Um das eigene Vermögen zu schonen und gleichzeitig die Loyalität ihrer Mitarbeiter zu erhöhen, zahlen fast alle in diesem Jahr einen größeren Anteil der Boni in Aktien oder Optionen aus. Die zusätzliche Hoffnung dahinter: Wenn die Sonderzahlungen erst in fünf oder sechs Jahren fällig werden, senkt das die Lust an allzu kurzfristig orientierten Spekulationen. „Der Anteil liegt in diesem Jahr bei etwa 50 bis 60 Prozent“, sagt Personalberater Halin. Generell gilt: Je höher ein Banker in der Hierarchie steht, desto höher ist auch der Anteil der Papiervergütung. „Ganz oben geht das bis nahezu 100 Prozent“, sagt Halin.
So hat etwa der neue Chef der hart getroffenen Bank Merrill Lynch John Thain kürzlich zwei Top-Bankern den Barbonus komplett gestrichen. Zudem kündigte er eine Reform des Bezahlsystems an. Es soll sich stärker am Gesamtwohl der Bank als an der einzelnen Leistung orientieren.
Es gibt noch weitere Ansätze: So sperrt etwa die Credit Suisse einem Teil ihrer Händler den Bonus für zwei Jahre, abgerechnet wird also über einen längeren Horizont. Ein innovatives Konzept verfolgt auch die deutsch-italienische Investmentbank Leonardo, bei der auch die in Befragungen ermittelte Kundenzufriedenheit über die Höhe der Sonderzahlung entscheidet.
Der Aufwand, den die Banken treiben, um den Wert ihrer Mitarbeiter zu ermitteln, ist zudem deutlich gestiegen. Investmentbanken tauschen sich inzwischen darüber aus, welche Boni sie in welcher Funktion und Hierarchieebene ausschütten, um den Markt für sich transparenter zu machen. Auch Personalberatungen werden verstärkt zu Rate gezogen, um den Marktwert einzelner Mitarbeiter zu ermitteln.
Einen Trend zu mehr Transparenz gibt es auch bei der Bonuszuteilung. So würden inzwischen die Personalabteilungen genau darauf schauen, wie die Boni in den einzelnen Abteilungen verteilt werden, und gegebenenfalls auch eingreifen. Sogenannte Compensation Committees sollen darüber wachen, dass niemand sich oder seinen Kollegen willkürlich die Taschen füllt. „Natürlich gibt es bei der Zuteilung der Boni einen gewissen Ermessensspielraum, weil weiche Faktoren wie Teamfähigkeit in die Bewertung einfließen“, sagt ein leitender Investmentbanker. „Aber dass jemand seine Freunde mit Geld zuschüttet, gibt es nicht mehr.“
Die Marktlage spielt den Instituten durchaus in die Karten. Das merken etwa wechselwillige Banker. „Es ist schwieriger, Garantien wie in den vergangenen Jahren zu bekommen“, sagt Tim Zühlke, Chef der Personalberatung Indigo Partners.
Wirklich wirksame Reformen lassen sich jedoch wohl nur unter Druck durchsetzen: „Wenn institutionelle Investoren in Richtung einer langfristig orientierteren Bezahlung drängen, werden sich die Banken dem kaum widersetzen können“, meint Experte Halin. Denn da gerade die Top-Manager die größten Profiteure des gegenwärtigen Systems sind, haben sie nur wenig Interesse daran, von sich aus etwas zu ändern.
Zumindest bei den Privatanlegern ist der Zorn schon groß. „Es gibt einen fundamentalen Interessenkonflikt“, sagt Volker Pietsch, Vorstand des deutschen Instituts für Anlegerschutz in Berlin. „Während Anleger langfristig orientiert sind und ihre Altersvorsorge sichern wollen, handeln Investmentbanker extrem kurzfristig.“ Im Gegensatz zu den Aktionären hätten diese dann bereits nach kurzer Zeit ausgesorgt. „Manche Zahlungen werfen die Frage auf, ob das Management eine Bank überhaupt noch steuern kann“, sagt Pietsch. Das System leistungsabhängiger Bezahlung stellt niemand infrage. Doch wenn Banken immer mehr für Boni ausgeben, ist das aus Aktionärssicht bedenklich.
Fraglich, ob sich daran grundsätzlich etwas ändert. Doch selbst für unsicherere Zeiten hat „Trader Monthly“ eine passende Empfehlung für die Bonijäger parat. Das Magazin rät seiner Klientel zu einer Investition in echte deutsche Wertarbeit. Ab 155 000 Dollar können sich besorgte Millionenjongleure einen Luxussafe der Marke Döttling bestellen, ganz individuell zusammengeschweißt und mit edlem Leder ausgelegt. Zu den Sonderausstattungen zählen ein Uhrenregal, ein Gewehrschränkchen und ein Humidor. Der stabile Stahlschrank garantiert so, dass Zigarren längere Zeit frisch bleiben. Mindestens bis zum nächsten Bonus.
Von
Welp, Cornelius
Esterhazy, Yvonne
Katzensteiner, Thomas
Henry, Andreas