Experten verzweifelt gesucht
Der Immobilienmarkt boomt weiterhin. Eine Konsequenz daraus: Die Personalsuche wird schwieriger. Was die Bewerber freut, bereitet den Unternehmen Kopfzerbrechen. Die Klagen der Personalverantwortlichen, gerade wenn es um die Besetzung technischer Positionen wie Projektentwickler, Leiter des technischen Asset Managements und der hauseigenen Bauabteilungen geht, werden immer lauter. Projektingenieure beispielsweise rangieren derzeit auf den ersten Rängen der meistgesuchten Fachkräfte, knapp hinter der Ärzteschaft. Die Folge? Die Gehälter steigen weiter. Der Druck auf den Ausbildungsmarkt erhöht sich. Und als potenzieller Arbeitgeber muss sich ein Unternehmen mehr und mehr kreativ „bewerben“. Kandidaten jonglieren mit mehreren Jobangeboten und können höhere Anforderungen an das Arbeitsumfeld und Zusatzleistungen stellen als früher. Aber nicht nur aufgrund der geringen Kandidatenpools ändern sich die Ansprüche. Sie folgen dem generellen gesellschaftlichen Trend. Einerseits geht es gerade der jungen Generation um ein modernes Arbeitsumfeld und eine bessere Work-Life-Balance. Und viele wollen lieber in flexiblen kleinen Einheiten ohne starre Hierarchien arbeiten. Gerade hier hat die Immobilienbranche noch Nachholbedarf.
Neben dem grundsätzlichen Problem, Interesse für eine Tätigkeit in der Immobilienbranche zu vermitteln, treibt dementsprechend noch eine weitere Entwicklung die etablierten Marktteilnehmer um. Der Trend in der Finanzbranche – weg von den Konzernen und hin zu Fintech-Start-ups – spiegelt sich nun auch in der Immobilienbranche. Die sogenannten Proptechs erobern Marktanteile. Hier spielen Crowdfunding-Häuser ebenso eine Rolle wie Firmen, die mittels intelligenter IT-Systeme das Property und Facility Management erleichtern, aber auch innovative Onlineplattformen für die Vermietung und den Objektverkauf. Diese Jungunternehmen benötigen Immobilienexperten, da ihre Gründer oft eher aus dem IT- und Start-up-Umfeld kommen. Das Markt-Know-how muss also zugekauft werden. Start-ups benötigen beispielsweise Projektentwickler, erfahrene Immobilienkreditspezialisten aus Banken oder Manager, die über sehr gute Vertriebskontakte in der Immobilienbranche verfügen. Hier entsteht eine ernst zu nehmende Konkurrenz auf dem Personalmarkt.
Was tun im Kampf um die besten Köpfe? Die Immobilienbranche muss durchlässiger für branchenfremde Fachkräfte werden. Mehr Offenheit lindert den Personalnotstand. Dies gilt insbesondere für kaufmännische Positionen wie Konzernführung, Finance und Controlling, Treasury oder Investor Relations, aber ebenso für Marketing und Vertrieb. Bei der Besetzung der technischen Positionen wird es schwieriger. Hier hilft nur, selbst auszubilden, um die aktuelle Lücke nicht noch größer werden zu lassen. Und mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern. Auch moderne Arbeitskonzepte – und hier tut sich die Immobilienbranche schwerer als manche andere – können eine Lösung für das Personalproblem sein, Stichwort Home Office, Teilzeit, Job Sharing. Eine Öffnung erfolgt derzeit in der Rekrutierung älterer Arbeitnehmer, die vielerorts aktiv gesucht werden. Die Kompetenz erfahrener Ingenieure oder Fondsvertriebsspezialisten sowie der Seniors im regulatorischen Umfeld von Immobilien-KVGs ist unschlagbar. Wenn die Immobilienbranche also ihre Hausaufgaben macht, steigert sie ihre Attraktivität als Arbeitgeber deutlich – gerade im Vergleich zu den direkten Konkurrenzbranchen. Mit den besten Köpfen sichert sie so auch langfristig ihren wirtschaftlichen Erfolg.
Der Beitrag erschien in Immobilien & Finanzierung, Heft 3/2018