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Auswege aus dem Personalengpass

Presse

von Kathrin von Hardenberg

Es wird aufgebaut und umgebaut – die Immobilienbranche brummt, und ein Ende
scheint nicht in Sicht. Das geschieht zur Freude der Investoren und zum Leid von
Personalberatern und Personalverantwortlichen in Unternehmen. Denn: Es fehlt an
allen Ecken und Enden an Fachleuten. Besonders schwierig ist es, technische Posi-
tionen wie Projektentwickler, Leiter des technischen Asset Managements und der
hauseigenen Bauabteilungen zu besetzen. Getoppt werden diese nur noch durch
Projektingenieure, die knapp hinter der Ärzteschaft auf den oberen Plätzen der
meistgesuchten Fachkräfte rangieren.

Die Folge: Unternehmen müssen sich um ihre potenziellen Kandidaten bewerben und
nicht umgekehrt. Gefragte Bewerber können in einem solchen Marktumfeld mit mehreren
Jobangeboten gleichzeitig jonglieren und so deutlich höhere Gehälter und individuell an-
gepasste Ansprüche an ihre Arbeitsbedingungen sowie Zusatzleistungen durchsetzen.
Dabei spielt auch der generelle gesellschaftliche Trend eine Rolle, hinter der die Immobili-
enbranche oft noch hinterherhinkt. Gerade die junge Generation erwartet ein modernes
Arbeitsumfeld und eine ausgewogene Work-Life-Balance. Viele gerade der jungen Nach-
wuchskräfte wollen lieber in flexiblen kleinen Einheiten arbeiten und nicht in verstaubten
Strukturen mit starren Hierarchien.

Prop Techs mischen Markt auf: Öl ins Feuer um den Kampf der besten Köpfe
schütten zusätzlich die so genannten Prop Techs. Mit Crowdfunding-Häusern, intelligen-
ten IT-Systemen, die das Property und Facility Management erleichtern, und innovativen
Online-Plattformen für Vermietung und Objektverkauf wollen die Start-Ups Marktanteile
erobern. Dafür brauchen sie Zugang zu Immobilienexperten, da ihre Gründer oft eher aus
dem IT- und Start-Up-Umfeld kommen. Das Markt-Know-How muss also zugekauft wer-
den. Start-Ups benötigen beispielsweise Projektentwickler, erfahrene Immobilienkreditspe-
zialisten aus Banken oder Manager, die über sehr gute Vertriebskontakte in der Immobili-
enbranche verfügen. Hier entsteht eine ernst zu nehmende Konkurrenz auf dem Personal-
markt. Denn ältere und erfahrene Spezialisten suchen oft die Möglichkeit, Aufgaben neben
den ausgetretenen Pfaden zu übernehmen. Nicht der Wechsel in eine sehr vergleichbare
Rolle macht den Reiz aus, sondern die Möglichkeit, sich in neue Themenfelder einzuarbei-
ten. Genau hier können Start-Ups punkten.

Was tun? Die traditionelle Immobilienbranche kann diese Entwicklungen nicht
ignorieren. Und: Es gibt Auswege. Aus unserer Sicht muss die Branche durchlässiger für
branchenfremde Fachkräfte werden. Mehr Offenheit lindert den Expertennotstand. Dies
gilt insbesondere für kaufmännische Positionen, wie Konzernführung, Finance und Con-
trolling, Treasury oder Investor Relations, aber ebenso für Marketing und Vertrieb. Bei der
Besetzung der technischen Positionen wird es schwieriger. Hier hilft nur, selbst auszubil-
den, um die aktuelle Lücke nicht noch größer werden zu lassen.

Und last but not least: Frauen müssen für technische Berufe begeistert werden.
Am besten werden mehr Mädchen bereits in der Schule für die MINT-Fächer interessiert,
um die geringe Quote an Absolventinnen in den technisch geprägten Arbeitsfeldern der
Immobilienwirtschaft zu steigern. Auch können Unternehmen mit studienbegleitenden
Angeboten speziell für Frauen auf sich aufmerksam machen und geeignete Kandidatinnen
frühzeitig an sich binden. Hier schlummert ein Potenzial, das bisher noch nicht aus-
geschöpft wird.

Moderne Arbeitskonzepte wie Home Office, Job Sharing, Teilzeit und Sabbaticals, die
noch lange kein Standard in der Immobilienbranche sind, können die Attraktivität vieler
Arbeitgeber zusätzlich erhöhen und damit zur Lösung des Personalproblems beitragen.

Kurzum: Die Immobilienbranche muss sich neuen gesellschaftlichen Trends und
anderen Branchen gegenüber öffnen, Frauen stärker ansprechen und überkommene Ar-
beitsstrukturen über Bord werfen. Wenn das gelingt, können nicht nur die Investoren, son-
dern auch Personalberater und Personalverantwortliche mit Freude in die Zukunft blicken.
Denn dann heißt es: vorstellen, aufstellen und einstellen.

Dieser Beitrag erschien in Der Immobilienbrief, Nr. 436 am 2. November 2018

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