Business Analysten verzweifelt gesucht: Chancen und Karrierewege
Es gibt Übersetzer für Deutsch und Englisch, Deutsch und Chinesisch und für Deutsch und Deutsch. Letztere werden freilich nicht so genannt, sondern tragen Neudeutsch den Titel Business Analysten. „Business Analysten leisten ganz viel Übersetzungsarbeit zwischen den Fachabteilungen und der IT“, erzählt Headhunter Oliver Hänig von Fricke Finance & Legal in Frankfurt. „Fachabteilungen und IT können vielerorts einfach nicht mehr miteinander kommunizieren. Deswegen werden die Schnittstellenfunktionen immer wichtiger.“
Hoher Bedarf an Business Analysten
„Business Analysten sind gefragt“, sagt Katrin Koch, Recruitment-Chefin der Transformationsberatung Capco in Deutschland, die sich auf Finanzdienstleistungen spezialisiert hat. Die meisten der Funktionen bei Capco hätten mit Business Analyse zu tun. Das Unternehmen hat seine Mitarbeiterzahl zwischen 2012 und 2015 auf rund 300 fast verdreifacht. „Wir planen auch in 2016 ein starkes Mitarbeiterwachstum, wovon etwa ein Viertel auf Hochschulabsolventen entfällt“, ergänzt Koch.
„Es gibt eine sehr starke Nachfrage nach Business Analysten“, beobachtet auch Personalberater Hans M. Mantell von Indigo Headhunters in Frankfurt. Für diese Umschreibung sind aber auch unterschiedliche Titel wie Functional Analyst oder Requirements Engineer gängig. „In jedem Fall brauchen Business Analysten neben guten analytischen und technischen auch interdisziplinäre und kommunikative Fähigkeiten.“
Laut Hänig werden Business Analysten von Banken, Versicherungen und spezialisierten Beratungsunternehmen verzweifelt gesucht. Angesicht der wachsenden Komplexität der Geschäftsabläufe und der dazugehörigen IT-Systeme rechnet der Headhunter sogar mit einem weiter steigenden Bedarf an derartigen Schnittstellenkompetenzen.
„Schauen Sie sich exemplarisch die Versicherungsbranche an: Um im gestiegenen Wettbewerb mit innovativen und dynamischen FinTechs und Online-Vergleichsportalen zu überleben, sind Versicherungen dazu gezwungen kontinuierlich neue Produkte zu entwickeln und neue Vertriebswege zu erschließen“, meint Hänig. „Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen Fällen die IT-Systemlandschaften mittlerweile veraltet sind. Hier sind Investitionen in Millionenhöhe, das entsprechende Personal und langjährige Projekte erforderlich, um die sogenannten Legacy-Systeme durch moderne, webbasierte und leistungsstarke IT-Systeme abzulösen.“ Hinzu kommen noch IT-Anforderungen im Zuge der gestiegenen Regulierung, die Versicherer gleichermaßen wie die Banken betrifft.
Die Aufgaben von Business Analysten
Doch was machen Business Analysten überhaupt? „Zunächst kommt es darauf an, in welchem Bereich man tätig wird – dies variiert vom Geschäfts- oder IT-Prozess bis zum konkreten Produkt- oder Applikationsfokus. Prinzipiell liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit darauf, die Anforderungen im Fachbereich zu ermitteln und diesen auch zu beraten“, erläutert Mantell. „Anschließend müssen die Anforderungen mithilfe einer Modellierungssprache (z.B. UML) für die Entwicklung formuliert und an die IT weitergegeben werden.
Um das Anforderungsprofil zu ermitteln, würden Business Analysten häufig Fragebogen, aber auch Einzelgespräche nutzen, erläutert Hänig. Sobald die relevanten Ansprechpartner einmal ermittelt seien, müssten sie oft viel Überzeugungsarbeit leisten. Viele Mitarbeiter wollten sich nur ungern von den vertrauten IT-Lösungen trennen.
Die beiden klassischen Einstiegswege
Hänig identifiziert zwei einschlägige Einstiegswege: „Da gibt es zum einen den studierten Informatiker, der zunächst selbst als Entwickler arbeitet.“ Nach drei bis fünf Jahren, wenn der erste Karriereschritt ansteht, entscheiden sie sich dann, sich im Bereich Business Analyse weiterzuentwickeln. „Die meisten Software-Entwickler konzentrieren sich vorrangig und leidenschaftlich auf die Lösung konkreter technischer Problemstellungen und sind weniger an einem Dialog mit einer Fachabteilung interessiert“, sagt Hänig. Ein Business Analyst müsse jedoch in erster Linie gut kommunizieren können und die Fähigkeit mitbringen, „über den Tellerrand hinauszuschauen“.
Der alternative Einstiegsweg führt meist über ein wirtschaftswissenschaftliches Studium und die Fachabteilung. „Deren Position ist meist im entsprechenden Fachbereich angesiedelt“, erläutert Hänig. „Dennoch verstehen sie auch die Sprache und Abläufe in den IT-Abteilungen – zumindest in Grundzügen.“ In den Stellenprofilen werde dies meist als „IT-Affinität“ bezeichnet. In den meisten Fällen würde indes die eine oder andere Seite überwiegen, was von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ausfalle.
Hochschulabsolventen und Seiteneinsteiger haben Chancen
Capco stellt unterdessen auch Hochschulabsolventen ein. „Die meisten haben Wirtschaftsinformatik oder Wirtschaftswissenschaften studiert und erste Erfahrungen z.B. in Praktika bei Finanzdienstleistern, den Big 4 oder anderen Beratungsunternehmen aus dem Finanzdienstleistungsumfeld gesammelt“, sagt Koch. Die Bewerber müssten allerdings wie bei jeder Beratung Reisebereitschaft mitbringen. „Die Beratertätigkeit ist und bleibt auch künftig kein ‚Nine to Five Job‘. Das sollte Bewerbern bewusst sein.“
Auch Quereinsteiger aus den Fachabteilungen der Banken haben Chancen. „Das hängt ein wenig davon ab, was die Mitarbeiter dort gemacht haben: Haben sie schon an IT-Projekten mitgewirkt oder an den Schnittstellen zur IT gearbeitet, ist es möglich“, ergänzt die Recruitment-Chefin.
Die Karrierewege von Business Analysten
Laut Mantell könnten sich Business Analysten mindestens zum Projektmanager weiterentwickeln. Als solcher würden sie dann sukzessive mehr fachliche Verantwortung u.a. für Tester, Entwickler oder die Qualitätssicherung tragen. „Für eine erfolgreiche Karriere sind Kenntnisse in zumindest einer Sprache wie Java, JavaScript, C# oder XML, bzw. einer Sprache mit statistischem Bezug wie SAS oder R hilfreich. Neben einem technischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Studium sind auch Zertifizierungen wie PRINCE2 oder PMP (Project Management Professional), sowie ITIL oder CPRE für die weitere Karriere hilfreich“, sagt Mantell.
Was Business Analysten verdienen
„Die gewünschte Berufserfahrung liegt meist zwischen drei und fünf Jahren. Das Anfangsgehalt beträgt in der Regel zwischen 60.000 und 80.000 Euro. Gelegentlich ist ein geringer variabler Gehaltsbestandteil enthalten“, erzählt Hänig.
Bei Consulting-Unternehmen läge die Gehaltsspanne mit 70.000 bis 90.000 Euro etwas höher. „Das vergleichsweise höhere Gehalt beinhaltet eine Kompensation für die regelmäßig anfallende Reisetätigkeit. Mittels variabler Gehaltsbestandteile von bis zu einem Viertel wird zudem gezielt der individuelle Einsatz gefördert und entsprechend honoriert“, sagt Hänig. Doch Geld ist nur die eine Seite. „Es handelt sich oft auch um spannende und abwechslungsreiche Aufgabengebiete.“