Gewinner der Krise
Immer mehr Kundenberater und Portfoliomanager wechseln zu kleinen Vermögensverwaltern
In der Finanzkrise gibt es auch Gewinner. Dazu zählen einige der kleinen und unabhängigen Vermögensverwalter. Wie eine Handelsblatt-Umfrage unter diesen Adressen und bei Personalberatern ergab, wechseln verstärkt Kundenberater und Portfoliomanager von großen Häusern zu überschaubaren Einheiten: „Vor allem kleine und mittelgroße Häuser nutzen die aus der unsicheren Marktphase entstehende Chance, sich mit sehr guten Mitarbeitern zu verstärken“, erkennt Karin Schambach, Geschäftsführerin von Indigo Headhunters.
Es geht um einen vergleichsweise winzigen Markt von wenig mehr als einem Dutzend Asset-Managern mit jeweils einstelligen Milliardenbeträgen an verwaltetem Vermögen. Der Gesamtmarkt allein an Investmentfonds für Privatanleger und institutionelle Adressen ist dagegen bereits 1,4 Billionen Euro groß. „Ich traue den Unabhängigen einen Marktanteilssprung in den zweistelligen Prozentbereich zu“, sagt Martin Stürner, Vorstand von PEH Wertpapier.
Zur ersten Garnitur der unabhängigen Häuser, gemessen an Kapital und Personalzuwachs, zählen DJE Kapital, Flossbach & von Storch und PEH Wertpapier. DJE unter Leitung des bekannten Vermögensverwalters Jens Ehrhardt betreut jetzt knapp neun Mrd. Euro und hat seinen Personalstamm in den vergangenen zwölf Monaten um 20 auf 90 Mitarbeiter aufgestockt. Die Gesellschaft PEH Wertpapier, die rund 4,5 Mrd. Euro verwaltet, ist um 25 auf 120 Beschäftigte gewachsen.
Der Vermögensverwalter Flossbach & von Storch, der rund zwei Mrd. Euro betreut, hat in diesem Jahr die Zahl der Beschäftigten um 15 auf 40 erhöht. Firmengründer Bert Flossbach kann mit den zwei wohl spektakulärsten Neuverpflichtungen aufwarten. Im Januar stieß Dirk von Velsen, vorher Führungsmann bei UBS, als Vorstand zu Flossbach. Philipp Vorndran, Chefstratege des Asset-Managements bei Credit Suisse, wird zum Jahresende zur gleichen Adresse wechseln. „Vorndrans Wechsel ist für mich ein Paradebeispiel für den Trend“, urteilt Schambach.
Branchenkenner glauben: Die Effekte der Kreditkrise auf den Bankenarbeitsmarkt und die Wanderungsbewegung zu freien Verwaltern und Asset-Managern werden einschneidender sein, als man es – wegen der Kündigungsfristen – in den nächsten Monaten erkennen wird. Bei Banken stehen Entlassungen an. Große US-Investmenthäuser senden jetzt die gleichen Signale (siehe Beitrag unten).
Aufseiten der Mitarbeiter „trägt das Argument der höheren Jobsicherheit bei großen Häusern nicht mehr, so dass die Hürde des Wechsels zu einem unbekannteren Markennamen gänzlich gefallen ist“, wie Schambach sagt. Personalberater erkennen seit längerem Abwanderungsbewegungen von Betreuern vermögender Privatkunden, die sich nicht mehr dem internen Vertriebs- und Produktverkaufsdruck beugen wollen. Denn in vielen Häusern stünden der Verkauf von Produkten und die daran gekoppelten Einnahmeziele im Vordergrund – das Interesse der Kunden sei nachrangig.
In Zeiten dramatischer Wertverluste durch sinkende Aktienkurse steigt zudem die Unzufriedenheit privater und institutioneller Investoren – was wieder den Produktverkaufsdruck in den Banken in den Fokus rückt. An diesem Punkt glaubt Georg Wübker, Partner bei der Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners: „Unabhängige Häuser können die Unzufriedenheit der Kunden besser abfedern, weil sie als Ratgeber dastehen und kein schlechtes Gewissen haben müssen.“ Ähnlich sieht das der frühere DJE-Mann Thorsten Schrieber, der erst vor einem knappen Jahr seine Wallberg-Gruppe gründete und bereits 20 Mitarbeiter beschäftigt: „Früher haben die Kunden ihr Geld auf mehrere und meist große Adressen verteilt, heute sehen sie, dass auch Größe nicht vor Schäden schützt.“ Er spürt ebenso wie Ehrhardt oder Stürner wachsenden Zulauf von institutionellen Investoren.
Christine Kuhl, Partner bei der Personalberatung Ray & Berndtson, weist außerdem darauf hin, „dass bei kleineren Häusern auch das freie Unternehmertum lockt“. Hier sind die Mitarbeiter häufig direkt an der Gesellschaft beteiligt. Diese Adressen kommen noch aus anderen Gründen besser ins Spiel. „Viele Gehälter und Boni bei den großen Häusern waren einfach übertrieben“, sagt von Velsen, „das wird jetzt deutlich reduziert werden, so dass kleinere Firmen hier besser mithalten können“.
Das Krisengewinn-Szenario bezieht nicht alle unabhängigen Häuser ein. Laut einer Umfrage von Simon Kucher & Partners unter unabhängigen Verwaltern sehen sich die Mitspieler künftig in rauer See. Es wird auch Verlierer geben. Vor allem sehr kleine Häuser, von denen manche unter hohen Mittelabflüssen leiden und die von wenigen Produkten abhängig sind, gelten Beobachtern als gefährdet.
Von Ingo Narat